Alles fügt sich. Wir sind nichts als Alltagsfliegen im Winde des Aprils. Aus Liebe wächst noch mehr Liebe und alle Verwirrungen entwirren sich mit Geduld und Ruhe.
Ein Regenbogen über den Wolken.
Veduna
Das Grundstück, auf dem wir in Slowenien wohnten, war wunderschön. Es befand sich hoch oben über dem Dorf. Eine Straße schlängelte sich den Hügel hinauf und verband uns mit dem Rest der Welt. Die Besitzer dieses Stück Landes, ein Engländer und eine Kroatin, machten ihr Geld einst in ernsten Geldberufen: Anwalt, Bänker. Bis sie eines Tages aufwachten und wussten, wie viel mehr Wert ein Leben auf dem Lande sei, ein Leben der Spiritualität und der Natur zugewandt.
Sie erwarben dieses besondere Energie besitzende Land und errichteten einen Ort, an dem Retreats stattfinden konnten, Meditationskurse oder Yoga-Urlaube. Um Essen für die Retreats anzubauen, wurden Beete, eine Gewächshaus und Polytunnel errichtet. Für die Vedunalandwirtschaft waren grade unsere Freunde Emma und Mischak verantwortlich. Die beiden würden ein ganzes Jahr dort in Slowenien bleiben, bevor sie sich auf den Weg zurück nach Südafrika machen, wo ihr eigenes Stück Land auf sie wartet.
Wie schön dich wiederzusehen!
Ich reiste alleine nach Slowenien. Jack war bereits dort, in einem Workaway nicht weit weg von Veduna. Seine Anreise war ein Katzensprung. Nach meiner Reise nach Berlin und Wiedenbrück, stand ich vor der Aufgabe, von dort einen Weg nach Slowenien zu finden. Ein direkter Zug von Lippstadt nach München, dann ein Flixbus von München nach Ljubljana schien die beste Möglichkeit für mich zu sein.
Ich verbrachte eine Nacht in München bei einer Ingenieurin für erneuerbare Energien, die gerne kletterte und lange Wanderungen unternahm. München fühlte sich schön an, zumindest für diesen einen Abend.
Ich freute mich auf Slowenien, nicht nur, weil es ein mir unbekanntes Land war und ich Emma und Mischak dort treffen würde, sondern natürlich auch, weil mein Weg wieder mit Jacks zusammen traf. Wie schön sich eine Umarmung anfühlt, nach einer Zeit des Nicht-Sehens, des Nicht-Fühlens.
<3
Alte Freunde
Emma und ich lernten uns im Herbst 2019 kennen. Sie wurde meine erste wirkliche Freundin, die ich nach der Beendigung der Schule und dem Verlassen meiner Heimatstadt gefunden hatte. Nur ein Jahr älter, damals wie ich auch eine Veganerin und aus einem mir völlig fremden Land, benannt nach seiner geographischen Lage: Südafrika.
Wir wohnten mit vielen anderen, darunter auch Jack, zusammen in einem Haus in Wincanton. Damals fiel es mir schwer mich in Gruppen einzufinden. An einem neuen Orten zu wohnen, war eine beängstigende Absonderlichkeit. An den ersten Abenden in diesem Haus voller junger Reisender versteckte ich mich in meinem Schlafzimmer, während in der Küche lustig Karten gespielt wurde. Morgens wachte ich als Erste auf und unternahm einen einsamen Spaziergang oder fand eine Bank im Park in der Sonne, auf der ich saß und malte. Ich sprach wenig mit den anderen, waren sie doch alle älter als ich. Zudem kannten sich die Bewohner bereits untereinander seit längerem oder kürzerem, und ich als die Neue fühlte mich als Eindringling, ein Zustand, der das sich einfügen erschwerte, wenn ich es überhaupt versucht hätte.
Als Emma ein paar Tage später als ich zu unserer Gruppe hinzukam und mir so den Titel der „Neuen“ entriss, änderte sich meine Lage. Es war ein einfaches für mich, mich mit Emma zu unterhalten, ihr Fragen zu stellen und ihr über mich zu erzählen. Wusste ich doch, wie es sich als Neuankömmling anfühlte, wollte ich ihr helfen, sich schnell wohl zu fühlen, obwohl ich viel mehr mir damit half, mich wohl zu fühlen.
Wir meldeten uns zusammen bei einem Fitness-Center im Dorf an, da wir beide die Bewegung vermissten: Ich das Schwimmen, Emma das Fahrradfahren. Ich besuchte mit ihr dort mindestens eine „Spinning class“ (auf einem Stehfahrrad fahren zu Discomusik und bunten Scheinwerfern). Viel zu hektisch. Da bevorzuge ich eine gemächliche Sportart, eine gemütliche Sportart. Das war für mich das Schwimmen. Ein im Wasser liegen.
Nach dem ersten Mal Schwimmen, verstopfte sich mein linkes Ohr und öffnete sich, trotz erworbener Ohrenentstopfungsprodukte, für einige Tage nicht mehr. Wie immer verbirgt sich hinter einer Unannehmlichkeit, einem „Ach, warum musste das wieder passieren!“ etwas Wunderschönes. Ich wurde das erste Mal wirklich auf Jack aufmerksam …
Im „Bootmakers“ wurde am Wochenende ein Kindergeburtstag veranstaltet, eine äußerst komplizierte Angelegenheit. Viele laute Kleinkinder auf einen viel zu engen Raum beschränkt, die es galt zu bespaßen. Solch ein Trubel war für mich mit einem verstopften Ohr noch viel schwieriger zu ertragen. Eine Unbalance im eigenem Körper schafft keine Balance in der Welt. Zur Mittagszeit aßen wir Helfenden abwechselnd in einer Pause. Ich stand grade an der Kasse mit gesenktem Kopf, versuchte einem Kind bei seiner Bastelarbeit weiterzuhelfen und lies die Welt um mich herum verschwinden. Nicht nur der Kindergeburtstagslärm hämmerte in meinem Kopf, auch mein eigener Atem. Da kam jemand zu uns und bot einen Platz zum Mittagessen an. Eine rettende Pause. Doch ich erwartete, dass Jack, der näher zu dem Botschafter stand, die Einladung annehmen würde, und machte mir keine Hoffnungen. Doch er kam zu mir und fragte mich, ob ich nicht gerne gehen würde.
„Dieser Jack ist ja doch ein netter Typ“…
Ich skizzierte das Motiv für das erste Tattoo, das sich Emma stechen lies und teilte mit ihr meine Sorgen. Nachdem ich England verließ, schrieben wir noch einige Male hin und her, sahen uns über einen Videoanruf und verfielen dann in ein Schweigen. Ich musste ihr noch mitgeteilt haben, dass ich nach Berlin gezogen war, da sie mich Jahre später anschrieb, als sie und Mischak nach Göttingen gezogen sind, und uns besuchen kommen wollte. Und Überraschung! Bei Anna konnte man immer noch Jack Pedder finden. Hätte das irgendjemand damals in Wincanton vorhersehen können?!
Wir bestimmt nicht.
Mischak und Emma war ein angenehmer Berlinbesuch gewesen! Es war toll jemanden als Gast zu haben, den Jack und Ich beide zuvor kennengelernt hatten, eine gemeinsame Freundin. Das erste Mal verstand ich auch den Reiz an einer Pärchen-Pärchen-Dynamik. Niemand konnte sich ausgeschlossen fühlen.
Die Gelegenheit die beiden in Slowenien zu besuchen war zu perfekt gewesen. Und genau zur passenden Zeit verließ ein Mann Veduna, sodass ein Zimmer für uns frei wurde, und dringend Hilfe auf dem Feld gebraucht wurde. Es kam wie es kommen sollte.
Ein Hund namens Archie
Die Seele von Veduna war ein alter Hund namens Archie. Trotz seines vorangeschrittenen Alters fehlte es ihm nicht an Energie. Er lebte für seine Leidenschaft: dem Stöckchenwerfen. Ein Spiel, das ihm nie langweilig werden würde. Oft kam er mit einem winzigen Ästlein zu einem gelaufen, lies es voller Sabber vor einem fallen und wartete mit freudig heraushängender Zunge darauf, dass man es ihm werfen würde.
Wenn Archie einen begrüßt, dann fletscht er bedrohlich seine Zähne und kommt mit wackelndem Schwanz auf einen zugelaufen. Er hatte das Begrüßungslächeln von den Menschen gelernt. Ihm gefiel es bestimmt auch, ein wenig gestreichelt zu werden, aber nichts gefiel ihm so sehr wie das Stöckchenenwerfen.
Wenn Jack und ich auf einen Spaziergang gingen, begleiteten uns die Hunde immer. Sie liefen aufgeregt neben uns her, dagegen konnte nichts gemacht werden. Sie hörten mehr oder weniger auf uns. Archie mehr, Ziek weniger. Manchmal schlichen wir uns vom Grundstück, um ohne Hund spazieren zu gehen. Doch gingen wir zum Feld oder in den Wald nahmen wir sie gerne mit.
Wir verbrachten gerne Zeit mit Archie und dem Stöckchenwerfen. Wenn ich mich draußen zum Lesen hinsetzte, wenn wir auf dem Acker arbeiteten, wenn man am Küchentisch Teetrank. Es machte Archie so viel Freude. Er lernte schnell, wer von uns besser werfen konnte und gab seine Stöckchen viel lieber Jack als mir.
Hatte ich genug vom Werfen und konzentrierte mich nur noch auf mein Buch, würde Archie neben mir warten. Stets mit raus hängender Zunge, freudig abwartend. Oft gab ich nach einer Zeit wieder nach und warf ihm noch einmal das Stöckchen. Machte ich seine Sucht damit noch schlimmer?
Wir gewannen Archie sehr lieb. Eine liebe Seele. Doch wie jeder Hund, passierte es auch Archie, dass er bellen musste. Der Auslöser bei ihm: Motorräder. Er war ein Spezialist darin, bereits das kleinste ferne Brummen als Auto oder Motorrad einzustufen und entweder entspannt zu bleiben oder völlig durchzudrehen. Fuhr ein Motorrad an Veduna vorbei liefen die Hunde auf die Straße und verfolgten das Motorada oder liefen ihm entgegen. Natürlich bellten sie dabei unaufhörlich. Es ist ein Wunder, das die beiden noch keinen Unfall verursacht hatten.









Die Tragödie Archies Leben war das Zusammenleben mit seinem Sohn Ziek. Da hatte man einmal einen romantischen Seitensprung mit einer deutschen Schäferhündin gehabt, und schon ist aller Lebensfrieden verschwunden. Ziek wurde als Welpe gerettet, seine Geschwister bereits tot geschlagen, und adoptiert von einer Portugiesin, in Veduna als Retreat-Managerin angestellt. Eigentlich keine Hundefreundin, zumindest nicht von großen Hunden, fühlte sie sich trotzdem dazu verpflichtet. Sie hoffte nur, dass Ziek nicht die exzessive Stöckchenwerfenleidenschaft seines Vaters geerbt hatte. Ihre Gebete wurden erhört, Ziek verstand das Spiel nicht. Er liebte es zwar auch, wenn Gegenstände geworfen wurden und jagte hinterher, doch nur, um das Objekt zu sichern und bei sich zu behalten. Diese zwei unterschiedlichen Reaktionen auf einen geworfenen Stock, brachte Spannung unter die Hunde
Archie brachte uns fleißig neue Stöckchen, wir warfen sie, nur damit Ziek, schneller als sein Vater, sie unter sein Gewahrsam nahm. Ein enttäuschter, aber keines Falls entmutigter Archie kehrte zu uns zurück mit einem erwartungsvollen Blick. Nichts hält ihm davon ab, sein Stöckchen geworfen zu bekommen.
Harte Feldarbeit und weiches Wasser
Das Feld, auf dem wir meistens arbeiteten, befand sich einige Meter von Veduna entfernt die Straße hinab. (Für eine Pause bergauf laufen zu müssen, war besonders gemein.) Emma und Mischak hatten einen genauen Plan, was wann zu passieren hat. Welches Beet sollte abgedeckt werden, in welches können wir pflanzen, in welches das Unkraut wachsen lassen.
Wir erschufen Wege neben den Beeten oder viel mehr füllten sie aus mit einer Schicht Stroh, darüber eine Schicht Holzstückchen. Wir spitzen Stöcke, die den Bohnen eine Stütze sein würden. Wir lockerten die Erde eines Feldes, bevor wir Kompost darauf verteilten. Wir setzten kleine Pflänzchen in Löcher in die Beete. Wir kümmerten uns um Unkraut, vor allem um die Winden, die sich überall befanden. Wir sammelten Nacktschnecken von den Pflanzen und Beeten. Wir sammelten viele Nacktschnecken.
Der April erwies sich als typisch wechselhaft in Slowenien. Ich bekam meinen ersten Sonnenbrand und ein paar Tage später froren uns unsere Finger in den nassen Handschuhen ein. Wir schwammen im Tümpel, sonnten uns auf den Liegen und an anderen Tagen tauchte ich meine Füße in heißes Wasser und wir gingen wir in die Sauna. Wir lernten die Landschaft kenne unter blauen klarem Himmel, an nebeligen Morgen, unter wässernden Wolkenbergen und komplett in weißen Nebel gehüllt, der uns jede Sicht versperrte.
Für die heißen Tage, nach meinem Sonnenbrand, schmierte ich mich fleißig mit Sonnencreme ein und band mir ein Tuch um den Kopf. Dadurch sah ich aus wie eine echte Feldarbeiterin. Zum Glück hatte ich aus Olyssas Keller meine Sommersachen mitnehmen können, ein Reisegepäck für die Sommerzeit. Nach solch einem sonnigen Tag, war es ein Segen in den Tümpel springen zu können. (Wir sprangen nicht wirklich, da Archie dann aus einem Rettungsinstinkt heraus einem nachspringt und in die Fersen beißt. Lieb gemeint.) Wie schön es war wieder im Wasser zu sein, wenn auch nur kurz, das Wasser war doch noch sehr kalt.
Der Zeckenwarn
In Norddeutschland wird sich nicht um Zecken gesorgt. Auch in England nicht. Doch hier befanden wir uns im wilden Süden. Schon am ersten Tag warnte uns Mischak vor den Zecken. Er habe jeden Tag eine auf sich krabbeln gesehen. Emma dagegen war bis jetzt verschont geblieben. Ich war entsetzt. Zecken! Welch eine Gefahr! Zumindest war Mischak, der ständig gebissen wurde, ein Experte darin, sie zu entfernen. Das beruhigte mich.
Jeden Abend suchten Jack und Ich uns nach Zecken ab. Bei jedem Muttermal oder juckenden Stelle wollten wir auf Nummer sicher gehen. Doch unsere Suche gingen immer leer aus. Und dass, obwohl ich draußen viel barfuß lief, was ich, nur wegen ein paar kleiner Vampire, nicht aufhören wollte. Die Zecken könnten auch nur von den Katzen stammen, die uns die lieben Parasiten ins Haus gebracht hätten. Hatte ich eines Abends vergessen, nach Zecken an meinem Körper zu schauen, wachte ich Nachts in Alarmbereitschaft auf, um meine Pflicht zu erledigen.
Ich begegnete den Zecken oft, ohne es am Anfang zu begreifen. Krabbelnd auf einem Tisch oder auf meinen Schuhen. Ab und zu auf meinem Knöchel, aber sie waren so groß, dass ich sie bemerkten, bevor sie sich hinsetzten. Der ganze Spuk um nichts.
Was für ein Stadtmädchen ich doch war.
Der Fluch eines B.Sc.
In den Polytunneln war es bereits Hochsommer. Hier ernteten wir Frühlingszwiebeln, Lauch, Spinat, Salat, Rote Beete und Kohl. Im Gewächshaus waren wir in den Tropen. Hier wurden die Pflanzen aus dem Samen groß gezogen.
Eines Vormittags waren Emma und Ich im Gewächshaus und säten in Massen neue Pflanzen. Dafür verwendeten wir Styroporpaletten mit unterschiedlich vielen Löchern. Mischak hatten uns auf einer Notiz die Anzahl der zu säenden Pflanzen da gelassen. So hieß es 64 mal die Yolo Kresse, 23 mal die Burgunda Chilli, 77 mal den westfälischen Weißkohl … Eine angenehme Arbeit: Man schüttet Kompost über die Palette, drückt die Erde fest in die Löcher, drückt eine Delle, in die man die Samen fallen lässt, und zuletzt deckt man sie mit Erde zu. Emma und Ich unterhielten uns dabei über Gott und die Welt. Mir schien es sonderbar, wie unterschiedlich wir doch aufgewachsen sind. So unterschiedlich kann es ja nicht gewesen sein, wir beide wohnten in einem Haus, mit Geschwistern, wir gingen zur Schule, wir trafen unsere Freunde, wir aßen Gemüse und verliebten uns. Und doch scheint mir eine Jugend in Südafrika ein gewisses Chaos zu beinhalten, das mir fremd ist. Schon alleine, dass es nicht sicher wäre, als Frau Abends alleine herumzulaufen.
Während wir also da standen, mit unseren Händen in der Erde und unseren Köpfen in unseren Welten, zählte ich die Löcher in einer Palette nach. An der Seite der Palette hatte jemand die Anzahl der Löcher geschrieben, 102, aber stimmte diese wirklich? Das galt zu überprüfen. So zählte ich 16 Löcher in der Länge und 10 Löcher in der Höhe. Haha, ich zückte den Stift und korrigierte die Zahl zu einer 116. (Das verkündete ich auch laut zu Emma: “10 times 16”.) Wir teilten die Löcher dieser Palette und einer anderen auf vier verschiedenen Arten von Salat auf, jede Art mit ihrer eigenen gewünschten Anzahl. 45, 60, 73, 22. Insgesamt 200. Wir legten Abgrenzungen fest und fingen an die Samen zu verteilen. Ich ließ mir die Zahlen wieder durch den Kopf gehen und blickte auf unsere abgetrennten Bereiche. Die Zahlen schienen nicht zu der Größe der Bereiche zu passen … Hier stimmt doch etwas nicht … Hatten wir einen Fehler in der Arithmetik entdeckt? Waren wir ganz nahe an einem Nobelpreis?
… Es war mal wieder Zeit für eine Kaffeepause!
Verstreute Seelen
Wir kamen zu einer Zeit, in der die Besitzer und viele Mitarbeiter von Veduna im Urlaub waren. Wir gewöhnten uns an ein Veduna mit Emma-Mischak-Archie-Ziek. Zwei andere Bewohner, deren stetige Präsenz und doch Unsichtbarkeit uns noch abgeschiedener fühlen lies.
Galina, die nur Russisch sprach und schon seit vielen Jahren hier lebte kümmerte sich um die Sauberkeit und kochte. Mit ihr als Köchin gab es jeden Mittag eine riesige Kohlsuppe. Manchmal kam sie herein mit Tabletten voller gefüllter Teigtaschen. Eine gern gesehene aufzuessende Überraschung. Sie muss sehr einsam sein. Mit uns sprach sie ein paar Englische Worte mit Dragon, einem Kroate, konnte sie sich mehr unterhalten, hatten ihre Sprachen doch genug Gemeinsamkeiten. Vielleicht lebten die beiden auch in ewigen Missverständnissen, im Glaube, der Kroate versteht das Russische und die Russin das Kroatische.
Dragon war der Feuermacher. Er heizte unser Haus an kalten Tagen, mähte das Gras an allen möglichen Stellen und liebte die Tiere. Nach einem Schlaganfall verlor er ein Teil der Beweglichkeit seiner rechten Körperhälfte. Ein Zustand, der ihn nicht davon abhielt alle möglichen Tätigkeiten auszuführen. An einem Nachmittag stand ich mit meiner Staffelei im vorderen Garten, als er zu mir kam und zu schaute. Er schien eine Liebe für die Kunst zu haben. Er zeigte mir eine Wandmalerei in einem der Zimmer, Malmaterial in der Garage und eine Bleistiftzeichnung von Archie, die ihm jemand geschenkt hatte. Obwohl wir keine ganzen Sätze tauschen konnten, fühlte ich ihn zu verstehen. Ich war froh, dass er hier lebte.
Eines Tages, ich stand in der Küche und bereitete einen Tee zu, kam er durch die Verandatür hinein und bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir stiegen die Treppe an der Seite des Hauses hinauf bis vor seine Tür. Dort draußen in heller Erwartung hatten sich bereits alle in Veduna lebenden Katzen versammelt. Sie kauerten mit genügend Abstand auf dem Steinboden und beobachteten mich kritisch. Sie waren scheue Wildkatzen. Dragon hatte mich hergeholt, weil er mir die Katzenfütterung zeigen wollte. Ich deutete abwechselnd auf die Raubkatzen und er nannte mir ihre Namen. 10/10 Interaktion.
Ostereiersuche
Wir erreichten Slowenien pünktlich zum Osterfest. Wir taten, was getan werden musste. Wir veranstalteten eine Ostereiersuche. Wir fanden slowenische Schokoostereier im lokalen Supermarkt mit denen wir uns begnügen mussten. Rot, Gelb, Blau, Grün. Wir losten die Farben untereinander aus. Ich musste nach den Grünen suchen, Jack nach den Gelben, Mischak nach den Blauen und Emma nach den Roten.
Wir machten uns einzeln auf den Weg über das Gelände auf der Ausschau nach cleveren Verstecken. Zu jedem Versteck schrieben wir ein kleines Rätsel, das dem Suchenden helfen sollte.
Sechs Rätsel, die ich meinen Freunden gab. Sechs Verstecke, die zu finden warn. Fünf Fotografien des Rätsels Lösung zeigen. Ein Versteck fehlt, was könnte es nur sein?
Ich lebe von der Sonne,
der Wind dreht mich im Kreise.
Ich verhelfe dir zum Wissen
in einer besonderen Weise.
Auf meinem gelben Bein
zeigen ich in den Westen.
Ich bin eines von vielen,
hast du uns schon bemerkt?
Der Sonne stehle ich ihr Licht,
um dir im Dunkeln zu helfen.
Ich liege weich und unterdacht,
manch anderes Ei ist ärmer dran.
Trotz der Schräge
komme ich nicht ins Rollen.
Umkreist von sechs Schwestern
Wohlriechend und schön
Farbe in Farbe
Schlummert es in mir.
Hütend geborgen höre ich einen Herzschlag.
Hier ist es flauschig, doch für eine Schokolade gefährlich.
Finde mich bevor sie es tut und ich bin dein.
Mit halben Gesicht blicke ich hinauf zum Wald.
Mein Freund der Kopf neben mir
blickt in sich hinein.
Ich habe ein großes Herz auf der Brust,
in mir ruht das Ei in Wolle.





Am Ostersonntag, nachdem wir alle Eier gefunden hatten, aßen wir alle zusammen. Wir alle hieß Emma, Mischak, Jack, Ich und Dragon und Galina. Dank Galina war der Tisch reichlich gedeckt. Wir aßen fröhlich und vermittelten einfache Themen mit langsamen Englisch und viel Körpersprache. Oft ging es um die Hunde oder Veduna. Mein persönlicher Favorit war Galinas Pantomime über “Wenn du in das Wasser springst, springt Archie hinterher”.
Alle lieben Horst und Beate
Es war der Donnerstag unserer Ankunft. Wir saßen alle am Küchentisch mit einer Tasse Jasmintee und sprudelten voller Erzählungen. Das letzte Mal saßen wir vor einem Jahr zusammen. Seit dem ist auf beiden Seiten viel passiert.
Mischak und Emma redeten über Mischaks Großvater …
Emma und Mischak wohnten in einer Wohnung in Göttingen, die Mischaks Familie gehört. Er fing eine Schreinerlehre an und arbeitete für die Post. Emma versuchte ihren Studienabschluss in Psychologie anerkannt werden zu lassen und putzte viel. In Göttingen lebt auch Mischaks Großvater mit seiner Partnerin. Emma erzählte uns, dass es schwierig war, den deutschen Großeltern zu sagen, dass die beiden nicht mehr in Deutschland leben wollten, hatten sie ihnen doch viel bei ihrer Einwanderung geholfen. Sie hatten sich gefreut, ihren Enkelsohn in der Nähe zu haben. Wie erwartet zeigten die Großeltern zuerst ein Unverständnis, warfen ihnen fehlendes Durchhaltevermögen vor. Es werde schon noch besser werden. Nicht so schnell den Kopf in den Sand stecken. Aber für Emma und Mischak war es schon sehr früh deutlich, dass ein Leben in Göttingen ihnen nicht gefällt. Sie hatten schon lange durchgehalten.
“Dein Großvater klingt nach einem Horst!” sagte Jack. Die beiden schauten ihn erstaunt an. Geöffnete Münder, nach oben gezogene Augenbrauen. “Du machst Witze!”. “Er heißt tatsächlich Horst”. Lachen, Unglaube, Horst ist ein witziger Name. Dieser Name schwebte in Jacks Kopf herum, weil er an den Horst dachte, der unsere Edition vom “Das Buch vom Tee” ins Deutsche übersetzt hatte.
“Versuch es nochmal, errate den Namen von Horsts Frau”. Jack sagte: “Bettina”, worauf ich mit “Beate” konterte. Mischak schüttelte seinen Kopf, seine Augen voller Misstrauen. Ich interpretierte sein Kopfschütteln als ein “Nein”, aber es war ein “Das kann ich nicht glauben”. Er konnte es nicht glauben und beschuldigte uns ein Spiel mit ihnen zu spielen. Wie konnte wir auf Anhieb deren Namen erraten? Die Frau von Horst hieß Beate und ich nannte diesen Namen bloß, da ich noch auf der Busfahrt im Hörbuch von Angela Merkels Buch “Freiheit” das Kapitel hörte, in dem Beate Baumann vorgestellt wurde. Es war der letzte deutsche Frauenname, den ich gehört hatte …
War dies alles nur ein Zufall? Waren Horst und Beate statistisch gesehen die wahrscheinlichsten Namen gewesen? Hatten die beiden vor uns die Namen schon mal erwähnt und sie schlummerten seit dem in unserem Unterbewusstsein?
Ich nahm es als ein Zeichen dafür, das ich genau am richtigen Ort gelandet bin. Es war uns vorbestimmt gewesen, den Weg nach Slowenien zu Emma und Mischak zu finden. Horst stammte aus dem “das Buch vom Tee”, das wir aus Alvaschein mitnahmen und in dem Teeladen in Wien lasen. Beate stammte aus dem Hörbuch von Angela Merkel, das ich hören konnte, da ich noch ein Audible Guthaben besaß und alle Harry Potter-Bände auf meiner Reise bereits durch gehört hatte.
Das Feld
Schreitet man durch das Tor auf die Straße, an der Veduna liegt, und folgt ihr bergauf bis rechts ein Weg unter einer Schranke hindurch in den Wald führt, erreicht man nach einigen Metern eine Lichtung, markiert von einem Holzhaufen und Baumstämmen, die sich rechts in ein Feld erstreckt. Und was für ein Feld es war!
Eine scheinbar endlose Wiese, die in einen unbestimmten Abgrund fällt. Hinten links steht ein Kirschbaum, der einer Picknickbank Schatten spendet. Man blickt hinunter auf Vinska Gora, auch Velenje und das Kraftwerk ist weit hinten zu sehen. Man war mitten in der Natur und doch so nah an unserer Unterkunft. Man konnte das Feld bequem erreichen und war doch versteckt vor fremden Augen. Sehr selten ging jemand auf dem Waldweg spazieren und selbst wenn, war die Picknickbank vom Weg aus nicht zu sehen.
Dort verbrachte ich gerne Zeit. Am ersten freien Tag nahm ich meine Staffelei und meine Malsachen und baute mich unter dem Kirschbaum auf. Jack saß im Gras, las, schrieb und hörte Musik. Dort unter den Ästen des Kirschbaumes am späten Vormittag fiel ein Schatten auf mein Malpapier. Ich stand still und blickte es an. Wie kann etwas schöner sein als das?
Und so malte ich den Schatten. Ein leichter Wind wehte und der Schatten verschwamm unter meinen Fingern. Ich verfolgte ihn, wollte die Zeit einfangen. Ich verstellte meine Staffelei, um mehr verschiedene Schatten zu erhaschen. Die erste Schattenkomposition entstand.
Es war so einfach und frei. Ich folgte und führte nicht. Ich war ein Medium an diesem Vormittag. Durch mich flossen die Gräser voller Grün, die flachen Frühlingswinde, die Rhythmen der Vogelschnäbel, die Sonnenstrahlen in ihrer Fröhlichkeit, das Summen der Bienen.
Genau für dieses Feld habe ich seit November meine Staffelei mit mir rum getragen.
Ich malte noch weitere Schattenbilder in den nächsten Tagen. Drei slowenische Bilder, die ich Emma anvertraute.
Ihr könnt sie finden in meinem Atelier:
🎨 https://anna.truckenbrodt.de/Annas-Atelier/.
Ein Himmel voller Sterne
Dieses Jahr steht für mich im Zeichen des Sternenhimmels. Im Winter in Thorner schauten Jack und Ich oft in die Sterne. Und das gefühlt seit einer Ewigkeit. Mit Hilfe einer Sternenkarte fanden wir uns auf dem gewölbten Firmament zu Recht. Wir prägten uns Konstellationen ein, die ich vom Namen her bereits kannte, jedoch nie im Himmel finden konnte. Der Löwe, Die Schlange, Der Zwilling. Am einfachsten war es die Planeten zu finden, leuchten sie doch am hellsten. Auch der Nordstern ist einfach zu finden: Man folgt mit den Augen der hinteren Kante des großen Wagens. Ein weiterer Hingucker: Sirius, der Hundestern. Er blinkt unaufhörlich und schaut man ihn zu lange an, wird man verrückt.
Unten an unserem Hügel im Dorf „Vinska Gora“ liegt eine Kneipe. Bar Žagar, Katja Jan s.p. . Eines Abends machten wir uns auf den Weg. Es begann dunkel zu werden. Wir nahmen einen Weg über den bewaldeten Hügel entlang einer Schlucht. Emma und ich gingen weit hinter den verrückten Steilen-Hügel-im-Wald-neben-einer-Schlucht-Herunter-Rasern mit Vorsicht hinunter. Die Blätter machten es rutschig, meine profillosen Barfußschuhe machten es noch rutschiger. Wir alle überlebten.
Wir saßen draußen an einem runden Tisch. Noch zwei Freunde der Barfrau sahen wir, sonst war alles leer. Die Kirchenglocken läuteten, viel zu laut, viel zu nahe. Wir sahen ein Pärchen zum Gottesdienst eilen. Die Getränke kosteten wenig. Ein Glas Wein gab es für 2 Euro 60. Der Nachtteil: er schmeckte nicht. Also Jack trank ihn gerne.
Genau an diesem Abend in dieser Bar in diesem Dorf zu sitzen, ist was das Reisen mit Workaway so wunderbar macht. Ich wäre sonst nie als Durchreisende hier angehalten, ich wäre nie in solch ein kleines Dorf gekommen, ich wäre nie als Anwohner Abends für ein Bier den Hügel hinunter gelaufen.
Auf dem Rückweg war es dunkel. Es gab keine Straßenlaternen und es war Neumond. Wir liefen auf der Straße nach oben, durch den Wald zu gehen, wäre verrückt gewesen. Die Dunkelheit erfüllte uns alle mit Aufregung und Angst. Was für eine wunderbar einfache Angst, die Angst vor dem Nicht-Sehen-Können, vor dem Nicht-Alles-Überblicken-Können, vor dem Unbekannten. Doch niemand von uns sprach darüber, wir befürchteten, uns gegenseitig noch nervöser zu machen, wenn wir die Angst, die in der Luft lag, erwähnten. Das letzte Stück Straße lag in einer Kurve durch ein Waldstück, danach würden wir das Feld und Veduna sehen können. Jack lief voraus und wir konnten ihn nicht mehr sehen. Wehe, er würde uns erschrecken. Wir liefen schnell ohne an die slowenischen Waldmonster zu denken. Mischak erzählte uns von einem Pferd, das einst hier die Böschung hinunter in den Tod gestürzt war.
Wir schafften es aus dem Wald heraus, froh und erleichtert. Wir sahen den Sternhimmel und unser Feld. Doch bevor wir uns entspannen konnten, kam eine dunkele Gestalt im schnellen Schritten auf uns zu. Grade noch am gemeinsamen Singen, verstummten wir und blickten nervös und misstrauisch auf den Nachtwanderer. Es war ein junger Slowene, vielleicht auf den Weg zu Bar? Wie froh wie waren, ihm nicht im Wald begegnet zu sein. Hier auf den offenen Felder, konnten wir es mit ihm aufnehmen. Er hatte wahrscheinlich mehr Angst vor uns…
In der Stille
Das Lesen. Wie einfach es fällt in Stille, in der Sonne, im Baumesrauschen. Noch in Deutschland erworbene gebrauchte Bücher füllten meinen Rucksack, die schnellstens gelesen und zurück gelassen werden mussten.
Ich las viel aus meinem Buch über den Zen-Buddhismus. Ich las „Die Frau in den Dünen“ von Kobo Abe und „Der Schlüssel“ von Tanizaki Junichirō. Zwei Bücher, die nicht wirklich an diesen Ort passten. Beide japanisch und verschroben.
Nicht zu vergessen, las ich das Buch, das Jack in den letzten Monaten geschrieben hatte. “The Book of Jennifer”. Ich hatte bis dahin keinen blassen Schimmer, worüber sein Buch handeln würde. Er hat mit mir, während er es schrieb, nicht darüber geredet. Es gefiel mir gut, sehr stark und bewegend. Doch der Inhalt überraschte mich.
Darüber hatte er die letzten Wochen ständig nachgedacht?!
Wie die Pflänzchen, wachsen auch wir
Ich lernte das Jonglieren mit drei Bällen. In Österreich versuchte ich es bereits, doch hatte nicht mehr genug Zeit. Mischak, der selbst vor einem Jahr erst Jonglieren gelernt hat, hatte seine Bälle dabei. (Er konnte perfekt jonglieren, sogar mit ein paar Tricks!) Ich verbrachte einen Abend mit den Bällen in unserem Wohnzimmer und schaffte es doch tatsächlich! Nicht für sehr lange, aber doch wechselten die Bälle ein paar Mal meine Hände!
Jack und Ich lernten sehr viel über Permakultur und generell Gartenbau. Mischak teilte sein Wissen mit uns.
Unkraut: In unberührten, ungestörten Flächen tritt Unkraut nicht auf. Das Unkraut wertet den Boden auf, das dauert nur länger, als man als Landwirt oder Gärtner Zeit hat. Der Löwenzahn, der auf stickstoffreichen Böden wächst, würde von sich aus verschwinden, wenn er dem Boden das übermäßige Stickstoff entzogen hat, und Platz für die nächste Pflanze geben. Der Löwenzahn kann ein Indikator von überdüngten Flächen sein.
Bodenschichten: Wenn man die Erde eines Beetes auflockern will, sollte man nicht die Erde um wühlen. Der Boden ist in Schichten aufgebaut, die verschiedene Mikroben enthält. Beim Wühlen werden Nährstoffe von ihrem idealen Ort verschoben und sind Pflanzen nicht mehr einfach zugänglich. Zu dekompostierendes Material wird an sauerstoffärmere Schichten verschoben und liefert keine Nährstoff an die Pflanzen. Wird das Gleichgewicht des Bodens zerstört, braucht er Zeit, um sich zu erholen, und Pflanzen wachsen langsamer. Am besten sollte man die Wurzel eines Unkrautes nicht hinaus reißen, da man so das Wurzelleben stört. (Bei den Winden haben wir die Wurzeln raus gezogen, da sie sonst in zu starker Konkurrenz mit den Nutzpflanzen stehen).
Dünger frei: Ohne Chemikalien zu arbeiten, bedeutet ständig viele Schnecken zu sammeln.
Löwenzahntee: Kleine Pflanzen mögen es gerne, wenn sie mit Löwenzahntee besprüht werden.
No brainer: Das angebaute Gemüse sollte rotieren, sodass nicht das selbe Beet mit der gleichen Pflanze hintereinander bepflanzt wird.
Der verlorene Hund
An einem unserer letzten Nachmittage machten Jack und Ich uns auf zu einem Spaziergang durch den anliegenden Wald. Natürlich kamen die beiden Hunde mit. Wir nahmen beide kein Telefon mit, wir hatten nicht vor, weit zu gehen. Wir folgten einem Pfad durch den Wald, einen Hügel hinauf und kamen schließlich auf eine Lichtung. Dort verweilten wir auf einer Bank, warfen natürlich Stöckchen für Archie, die Ziek ihm wegschnappte und genossen die Aussicht. Als wir uns auf dem Rückweg machten, bogen wir falsch ab. Wir vertrauten jedoch auf die beiden Hunde, die uns schon den Weg nach Hause zeigen würden. Auf dem Weg zurück zeigten sich die beiden freudig und liefen voran. Ein Zeichen, das wir als “Wir sind auf dem richtigen Pfad” deuteten.
Nach einer Weile, wir waren im Gespräch vertieft, hatten wir die Hunde aus den Augen verloren. Ich rief und klatschte und Archie kam zu uns zurück, aber Ziek ließ sich nicht blicken. Der Weg wurde durch einen Zaun versperrt, dahinter das Land eines Bauern. Für Ziek bedeutet der Zaun nichts und für ihn war dies eine perfekte Abkürzung nach Hause. Nur Jack und Ich mussten einen anderen Weg finden und ich wollte Ziek nicht einfach zurück lassen. Also standen wir vor der Schranke und riefen. Nichts geschah. Ich wurde nervös, kletterte unter dem Zaun her und ging rufend dem Weg weiter, um um die Ecke zu schauen. Und was sehe ich da? Ziek läuft mit heraushängender Zunge und freudigem Wedeln auf mich zu, gefolgt von einem Bullen. Ich drehe mich um und renne zurück. Wieder hinter dem Zaun blicke ich zurück, doch der Stier hat uns nicht mehr verfolgt.
So ein frecher Hund!
Slowenien ist wunderschön
Als wäre der Ausblick von Veduna nicht bereits Geschenk genug, fanden wir einige fabelhafte Ausblicke in der Nähe. Ein Tal weiter führte ein kleiner Pfad an die Kante des Felsen, auf dem wir wohnten. Von dort hatte man Ausblick auf Vinska Gora, auf die Kirche, neben dem sich die Bar befinden, auf die Hauptstraße, die uns mit der Welt verband. Dieser Felskante war auch das Ziel von Kletterern. Ein schwieriger Aufstieg, da sich der Fels im Überhang befindet.
Im besagtem Nachbartal fällt der Blick auf dieses Baumpanorama. (Wieso bin ich nicht eher in dieses wunderschöne Land gekommen?) Es ist hügelig genug, dass man bergauf laufen kann, Bergketten sind zu sehen (auch ein Gletscher ganz weit hinten), und das Land ist so wunderbar bewaldet! Ich empfand die Landschaft menschlicher, als die Schweizer Alpen. Nicht so spektakulär und gigantisch, aber eben weicher und verständnisvoller.
Das einzige, was mir fehlt, sind Slowenische Kontakte. Ich lernte Niemanden aus Slowenien kennen. Mir wäre es auch wichtig, die Sprache des Landes zu sprechen, in dem ich lebte. Slowenisch ist schwierig. Angeblich hat es mehrere Arten des Plurals. So gibt es eine Pluralform für zwei, eine für drei, eine für vier und eine für fünf oder mehr! Obwohl es nur 2.5 Millionen Muttersprachler gibt, unterscheiden sich die Dialekte stark. Vor Allem auf dem Lande.
Meine erste slowenische Stadt
In Ljubljana verbrachte ich nur weniger, verschwitzte und verwirrte Minuten, in denen ich den richtigen Busplattform suchte. Als wir nach Celje fuhren, besichtigte ich daher meine erste slowenische Stadt. Und wie angenehm ruhig, ordentlich und überraschend deutsch diese Stadt ist.
An einem Fluss gelegen, mit einer kleinen Altstadt, Eisdielen, einem Theater, einem schokoladenreichen Biomarkt und am wichtigsten: einem wunderschönen Stadtpark. Slowenien ist ein (für europäische Standards) stark bewaldetes Land. Noch ganze 60% seiner Fläche ist Wald! Nur Montenegro, Schweden und Finnland haben prozentual mehr Waldfläche. Ein “Stadtpark” ist hier ein wirklicher Wald mit riesigen Bäumen.
Eine Stadt zu besuchen: in Ladenfenster zu schauen, mehr als zwei Menschen gleichzeitig an einem Ort zu sehen Schokolade kaufen zu können! Ein angenehmer Kontrast zu einem Landleben. Und perfekt für einen Besuch. Aber eben auch nur ein Besuch. Ich will viel lieber das Bauernmädchen sein, als die feine Stadtdame.
(Die Schokolade habe ich trotzdem gerne gekauft und gegessen!)
Empfehlung: Rapunzel Nirwana Noir.
Alles hat ein Ende, Vieles auch Zwei
An unserem letzten Tag veranstalteten wir auf dem Feld ein Picknick. Wir nahmen unsere Essensreste und das nötige Geschirr, Spielkarten und Jonglierbälle mit. Es war ein heißer Tag und alles blühte. Mir juckten die Augen und meine Nase lief unaufhörlich und trotzdem wünschte ich mir ewig dort zu bleiben. Wir aßen, quatschten, warfen den Ball, liefen durch die Wiese, um den Ball zu fangen, Emma und ich flochten uns gegenseitig unsere Haare. Jack erschuf den Namen unseres Kindes: “Phnorf”.
Wir hatten eine schöne Zeit zu viert in den slowenischen Hügeln!
Zu viert …
Vier Menschen …
Genau Vier …
Das erinnert mich doch an etwas …
DOPPELKOPF!
Ich hatte dieses Kartenspiel vermisst, in Berlin nie eine konstante Spielrunde gefunden und somit in den letzten Jahren sehr oft die Spielregel zu neuen Mitspielern erklärt, ohne jemals in einen berauschenden Spielfluss zu kommen. Doch hier war es anders. Mischak kannte das Spiel bereits und Emma gab sich alle Mühe schnell hineinzufinden. Wie ich mich freute! (Und die anderen glaube ich auch … ) Wir spielten unsere letzte Runde noch im Auto vor der Bushaltestelle bevor Jack und Ich nach Ljubljana fahren und Slowenien verlassen würden.
Unsere Reise führte uns wieder zurück in die Schweiz. In die Schule in Alvaschein. Wir hatten Zeit nachzuholen, die wir dort hätten verbringen sollen. Wir hatten Frühlingsblumen auf den Alpenwiesen zu bestimmen und Kuhglocken durch die Täler klingeln zu hören. Ich würde an einem Kurs teilnehmen, in dem wir aus Gestein Pigmente und somit Farben herstellten. Wir hatten noch viele Gerichte zu kochen.
An dem Morgen, an dem uns Mischak und Emma zur Bushaltestelle fuhren, war Archie bereits wach. Wir warfen ihm noch ein paar Stöckchen, wuschelten durch sein Fell und luden unser Gepäck ins Auto. Als wir auch in das Auto stiegen, verstand er, dass jemand abreist. Zuerst versuchte er auch ins Auto zu springen. Als wir die Türen hinter uns schlossen, begann er zu Jaulen. Es war herzzerreißend! Er kläffte wütend, er lief hinter uns her. Er klang empört, als hätte er unsere Abreise zu spät gemerkt und sich nicht richtig verabschieden können :(
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